Bringst du dein kaputtes Auto in die Werkstatt oder doch nur zur Autowäsche? Eben!!! Warum gehen dann wir mit uns selbst oft so viel weniger verantwortungsvoll um?
--> Hier ein paar Ideen für echte Selbstfürsorge statt oberflächlicher Schönheitspflege.
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Echte Selbstfürsorge funktioniert nicht an der Oberfläche
Es ist wieder soweit: Die Anforderungen eines hektischen Alltags zwischen Familie und Job fordern ihren Tribut. Ich fühle mich seit Tagen müde, schlafe aber schlecht. Hab schon beim Aufstehen miese Laune. Laufe meiner To-Do-Liste hinterher und habe doch jeden Abend das Gefühl, eigentlich nichts wirklich geschafft zu haben. Die Stressfalle hat zugeschnappt! Und nun? Zeit mir selbst etwas Gutes zu tun. Die Akkus wieder aufladen.
Also ab in die Badewanne, Duftkerze an, den Yogi-Tee aufgegossen und morgen sieht die Welt schon wieder anders aus!
So oder so ähnlich wird uns suggeriert, wie Selbstfürsorge funktioniert. "Du brauchst nur ein paar entspannte Stunden für dich selbst und alles ist wieder gut!"
ABER: Wären wir ein Auto und unsere Warnzeichen wären nicht schlechte Laune, Übermüdung und Überforderung sondern ein rotes Warnlämpchen neben dem Tacho oder schwarzer Rauch, der unter der Motorhaube aufsteigt, dann kämen wir wohl kaum auf die Idee, uns mal wieder eine Runde durch die Autowäsche zu gönnen. Vielleicht noch ein bisschen Heißwachs drauf? Nein, da ist uns schon klar, dass wir genauer hinschauen müssen. Wir müssen unter die Motorhaube schauen, im wahrsten Sinne des Wortes in die Tiefe gehen.
Und für uns gestresste Mamas reicht ein Frisörbesuch, um uns wieder ins Lot zu bringen?
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Äußere Selbstfürsorge ist am Ende auch mehr für "die anderen" als für das "Selbst"
Nicht falsch verstehen: Sich selbst ein bisschen verwöhnen, das ist natürlich wunderbar. Balsam für die Seele. Aber keine wahre, nachhaltige Selbstfürsorge. Denn die oberflächlichen Lösungen setzen bei der falschen Grundhaltung an. Hier ist Selbstfürsorge etwas, das wir ab und zu für uns tun. Eine Pause, als Trost oder als Belohnung, damit wir im Alltag - im "richtigen Leben" - weiterhin funktionieren.
Und im schlechtestes Fall ist diese Art der oberflächlichen Selbstfürsoge nicht einmal etwas, das wirklich uns und unserem "Selbst" gut tut. Es ist vielmehr eine äußere Schönheitsreparatur, die unserem Umfeld suggeriert: Schau, die manikürten Hände, die schicke Frisur, der frische Teint, die perfekt überschminkten Augenringe. Ich hab - ganz offensichtlich - mein Leben im Griff.
Wir ersparen unserem Umfeld den Rest. Man sieht uns nicht an, wie kräftezehrend die Ansprüche unseres Alltags an uns sind! Wir sehen Montagmorgens aus, als kämen wir von einem ausgiebigen Wellnesswochenende und nicht aus einem Wochenende mit Wäschebergen nach familiärem Magen-Darm-Infekt und einer Deadline im Job, die uns Nachtschichten abverlangte.
Das besonders Fatale: Unsere Mitmenschen sehen vor lauter Schminke und Fassade die Wahrheit nicht und wir fühlen sie nicht mehr.
Wir fühlen gar nicht mehr, wie es uns wirklich geht
Wenn wir zu tief drin stecken im Funktionieren, irgendwie Hinkriegen und Erwartungen erfüllen,
dann verlieren wir den Kontakt zu unseren inneren Bedürfnissen. Wir merken nicht mehr, wie es um unsere innere Welt gerade wirklich gestellt ist. Die Anzeichen - schlechte Laune, schlechter Schlaf, Anstriebslosigkeit, Desinteresse, Unlust - sind subtil und unspezifisch. Hab ich Durst, dann brauche ich Wasser. Aber wenn ich mich überfordert fühle und meinen Kindern gegenüber ungeduldig bin, was brauche ich dann?
Hier müssen wir auf die Suche gehen! Auf die Suche nach Antworten, die tiefer gehen als: "Ich muss nur mal wieder in Ruhe in die Badewanne!"
Und wir müssen der Versuchung widerstehen, bei unserer Suche zu sehr "Außen" unterwegs zu sein und statt dessen in uns selbst hineinhorchen, um herauszufinden, was unser ICH wirklich braucht.
Echte Selbstfürsorge ist nicht die kleine Auszeit zwischendurch, sondern sollte die maßgebliche Maxime sein, nach der sich unser Alltag ausrichtet.
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Wirklich nachhaltige Selbstfürsorge bedeutet Mut zur Selbsterkenntnis
Antworten finden wir nur durch hinschauen und hinein fühlen. Wir müssen uns mit relevanten Fragen auseinandersetzen:
Wo sind in meinem Leben Punkte, die mir nicht gut tun?
Die meine Kräfte aufzehren, die mir nicht entsprechen, die mich überfordern.
Was gefällt mir in meinem Alltag und entspricht mir?
Wo ist das nicht der Fall?
Und zusätzlich zu diesem Nachdenken müssen wirklich in uns hinein fühlen! Wie fühlen sich verschiedene Alltagssituationen für mich an. Wie fühlt sich mein Körper dann an? Wo bin ich angespannt, wo entspannt? Wann ist meine Stimmung gut, wann schlecht?
So entdecken und verstehen wir unsere Bedürfnisse und dies ist der erste Schritt hin zu wirksamer und nachhaltiger Selbstfürsorge.
Selbstfürsorge als Mama muss nochmal besondere Hürden überwinden
Und das sei das Erspüren und Verstehen der eigenen Bedürfnisse nicht schon eine enorme Herausforderung, sehen wir Mütter uns mit einer weiteren Schwierigkeit konfrontiert: Denn wir erleben im Alltag mit Babies oder Kindern immer wieder, dass deren Bedürfnisse frontal mit den unsrigen kollidieren. Und wir haben gelernt, dass die höchste mütterliche Tugend Selbstlosigkeit ist. Was nun bedeutet, dass wir die Bedürfnisse unserer Kinder über unsere eigenen stellen.
Das mütterliche Märtyrertum ist in unserer Gesellschaft ein hohes Ideal. "Sie ist so selbstlos, hingebungsvoll und fürsorglich" ist ein hohes Kompliment für eine Frau und vor allem für eine Mutter. Leider tun uns aber diese äußeren Erwartungen und die damit verbundene Glaubenssätze überhaupt nicht gut tun und sind sogar hinderlich auf dem Weg zu nährender Selbstfürsorge.
Viel wertvoller als unerreichbare und unrealistische Mütterideale ist vielleicht die Erkenntnis, dass wir nur dann mit unserer ganzen Kraft und Präsenz für andere da sein können, wenn wir vorher ganz und gar für uns selbst da sind!
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Wir haben gelernt: Selbstfürsorge ist die kleine feine Auszeit vom Alltag. Aber echte Selbstfürsorge bedeutet, einen Alltag zu gestalten, von dem wir keine Auszeit brauchen!
Selbstfürsorge ist eine Haltung, eine Lebenseinstellung
Echte Selbstfürsorge heißt also, dass ich Zeit investiere, um mich selbst wirklich kennenzulernen, meine Sehnsüchte zu spüren und meine Bedürfnisse wahrzunehmen. Um dann im Alltag die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, um diesen gerecht zu werden.
Nochmal: Es geht nicht darum, kleine Inseln im Alltag zu finden, die unseren Bedürfnissen gerecht werden, sondern umgekehrt, den Alltag konsequent so zu gestalten, dass er zu unseren Bedürfnissen passt. Das erfordert oft eine Menge Mut und teilweise schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst.
Eine Klientin von mir brachte es folgendermaßen auf den Punkt: "Ich habe mein ganzes Leben an meinen Bedürfnissen vorbei konstruiert!" Das kann eine harte Erkenntnis sein!
Und manchmal ist die Antwort auf die Frage nach dem "Was brauche ich und wie setze ich das im Alltag um?" noch nicht greifbar. Manchmal haben wir keine Ahnung und keine Idee davon, wie wir diesen Bedürfnissen, die wir spüren, gerecht werden können.
Dann kann der erste Schritt zu einer befriedigenden Lösung nur sein, dass wir uns genau dies bewusst machen. Dass wir uns ganz klar sagen: "Ich weiß zwar noch nicht, was das Richtige ist, aber ich weiß, das hier ist es nicht!" Auch das ist Erkenntnisgewinn und damit ein Schritt in Richtung Klarheit. Auch das ist Selbstfürsorge.
In kleinen Schritten zum Ziel
Oder wir ahnen zwar, was wir gerade bräuchten und welche Anpassungen hilfreich wären, aber als Mama mit Baby an der Brust oder mit Kleinkind auf dem Schoß erscheint uns die Umsetzung geradezu unmöglich. Auch hier gibt es einen Weg, um mehr nachhaltige Selbstfürsorge in den Alltag zu holen. Und der besteht am Anfang aus kleinen Schritten. Mit kleinen Zeitfenstern der Ruhe und Reflektion können wir uns langsam aber sicher den Raum für unsere eigenen Bedürfnisse zurück erobern. Und dann wird mit zunehmendem Alter der Kinder auch zunehmend mehr Selbstbestimmung zurück in unser Leben kommen.
Bis dahin bleiben wir unseren Bedürfnissen auf der Spur und kümmern uns vor allem um einen guten, ehrlichen und liebevollen Kontakt zu uns selbst! Manchmal ist dann der größte Akt der Selbstfürsorge, dass ich zumindest wahrnehme, welche Bedürfnisse ich JEZT GERADE habe. Ach wenn ich diese JETZT GERADE nicht erfüllen kann.
Und doch habe ich genau dann bereits das wichtigste für echte, nachhaltige Selbstfürsorge getan: Ich war bei mir. Ich habe mich gespürt. Ich habe mich auf mich eingelassen und war für mich da!
Mehr braucht es nicht.
Das Selbstfürsorge Mantra: Ich bin bei mir, ich spüre mich, ich lasse mich auf mich ein und ich bin für mich da.
PS: Brauchst du mehr?
Dich mit deinen Bedürfnissen und Sehnsüchten auseinanderzusetzen findest du herausfordernd? Und wie sollst du das ganze nun auch noch in deinen Alltag integrieren? Das ist dir zu abstrakt? Gerne unterstützen wir dich. Bist du in Elternzeit, dann ist unser Basecamp die richtige Adresse für dich. Oder suche dir eine unserer Coaches aus und lasse dich auf deinem Weg professionell begleiten.
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Dieser Artikel wurde geschrieben von Christine Winnacker, Inhaberin von elterngarten und elterngarten Coach in München.
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